Null
Blog oder allgemeine Bürgerpflicht?
Es
war wahrscheinlich noch nie so einfach, seine Meinung an ein großes Publikum zu
richten, wie heute. Mit wenigen Klicks kann sich jeder, der über einen PC und
eine Internetverbindung verfügt, einen eigenen Blog einrichten und seine
Ansichten, Meinungen oder einfach nur Erlebnisse dort niederschreiben.
Informationsflut
ohne Leserschaft?
Nach
einer Studie des Social-Media Marktforschungsunternehmens NM Incite, gab
es im Oktober 2011 weltweit insgesamt 173 Millionen Blogs. Wenn man das auf die
Weltbevölkerung hochrechnet, bedeutet das: 2,5% aller Menschen auf der Erde betreiben
(statistisch gesehen) einen Blog. Wenn man jetzt noch davon ausgeht, dass ein Großteil
dieser Blogs auch noch aktiv betrieben wird, dann kommt schnell die Frage auf:
und für wen?
Wer
liest die Millionen Inhalte, die täglich das Internet überfluten und wem nützt
das etwas?
Antje
Schrupp, in der deutschen Blogosphäre als vor allem durch ihre Posts
über Feminismus, Politik und Philosophie bekannt, hat dazu eine ganz eigene
Meinung. In ihrem Blog „Aus Liebe zur Freiheit“ schreibt sie in Bezug
auf eine Freundin, die der Meinung ist, es würde doch niemanden interessieren,
was man selbst denke:
„Das,
was sie denke, sei doch für die meisten Menschen total uninteressant. Das mag
zwar sein. Aber das ist ein Argument aus dem Zeitalter der Massenmedien. Im
Internet kommt es auf Zahlen nicht mehr an, denn auch wenn ein Blog nur von
fünf Leuten gelesen wird, die dafür – aus welchen Gründen auch immer – an dem
Thema höchst interessiert sind, ist es eine schöne und wichtige Sache.“ Quelle
Mit
ihrer Aussage mag Frau Schrupp durchaus richtig liegen. Im Zeitalter der
Massenmedien muss jeder Mensch die für ihn relevanten Inhalte herausfiltern.
Das gleiche gilt wohl auch im Bezug auf Blogs.
Frau
Schrupp geht sogar soweit, von einer allgemeinen Bürgerpflicht zu sprechen. Damit
meint sie vor allem, dass es eine Notwendigkeit sei, diese neue Art der
öffentlichen Meinung zu pflegen. Sich gegen einen Blog zu entscheiden sei
demnach genauso kritisch zu hinterfragen, wie die Entscheidung dafür.
Ein
nihilistischer Ansatz
Von
einer anderen Ebene aus betrachtet der Medienwissenschaftler und sogenannte
Netzaktivist Geert Lovink die Thematik. In den Medienwissenschaften sei seiner Meinung nach vor allem der journalistische Aspekt des Bloggens
betrachtet worden.
In
seinem Buch „Zero Comments“ geht er nun, ausgehend von Michel Foucaults Ansatz „Technologien
des Selbst“, auf Blogs als Instrument der Selbstdarstellung und Selbstreflektion
ein.
Im
Gegensatz zu Briefen, E-Mails oder SMS, die an eine bestimmte Leserschaft
gerichtet sind, kann man den Adressaten für einen Blog nicht klar ausmachen. Blogs
richten sich an alle (und keinen), was die Informationsauswahl nicht unbedingt
vereinfacht.
Lovink
spricht in diesem Zusammenhang von einem „digitalen Nihilismus“. In
einem Interview mit der Zeit sagt er dazu folgendes:
„Es
ist eine Position, die von einem imaginären Nullpunkt ausgeht, dem »Zero« in
Zero Comments . Denn die Mehrzahl der Blogs wird ja gerade nicht gelesen, sie
spielen in einer Grauzone der Öffentlichkeit, von der sich einige wenige
Spitzen-Blogger abheben. Die Null, die in der Software aufscheint – kein
Verkehr, niemand da gewesen, das »Nihil« von Nihilismus –, ist die Regel, nicht
die Ausnahme.“
Diesen
nihilistischen Ansatz kritisch zu hinterfragen und zu diskutieren wird hier an
späterer Stelle noch eine Aufgabe sein.
Null
Blog oder was?
Doch
wer sind die Blogger überhaupt? Und was hier vielleicht noch wichtiger ist: Wer
sind sie nicht? Nach der oben schon erwähnten Studie von NM Incite sind
es vor allem Frauen, die einen Blog betreiben. Die Hälfte aller Blogger ist
zwischen 18 und 34 Jahren.
Doch
wie Spiegel Online schreibt , hat Studien zufolge vor allem die
nachkommende Generation kein Interesse mehr an Blogs. Das Verfassen und Verwalten
von eigenen Inhalten im Internet spricht die hochgelobte „Netzgeneration“ anscheinend nicht in dem Maße an, wie immer suggeriert wird. Manfred
Dworschak schreibt dazu in dem eben erwähnten Artikel auf spiegel.de:
„Jetlirs
Abgeklärtheit ist typisch für die Jugend von heute; das bestätigen mehrere
aktuelle Studien. Ausgerechnet die erste Generation, die sich ein Leben ohne
Internet nicht mehr vorstellen kann, nimmt das Medium nicht übermäßig wichtig
und verschmäht seine neuesten Errungenschaften: Ganze drei Prozent der jungen Leute
schreiben selbst ein Blog. Und nicht mehr als zwei Prozent beteiligen sich
regelmäßig an der Wikipedia oder sonst einem vergleichbaren
Freiwilligenprojekt.“
Haben
die Blogs als Mittel der Informationsvermittlung und Selbstdarstellung also
bereits ihren Zenit überschritten? Sind sie ein Auslaufmodell, das keine
Nachfolger mehr findet?
Dem
gegenüber steht die ständig wachsende Zahl von Blogs. Aber wer betreibt sie?
Und wer soll sie lesen?
Fragen
über Fragen, die es im weiteren Verlauf meines Bloggerdaseins zu klären gilt ;)
Quellen:
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