Sonntag, 21. Oktober 2012


Null Blog oder allgemeine Bürgerpflicht?

Es war wahrscheinlich noch nie so einfach, seine Meinung an ein großes Publikum zu richten, wie heute. Mit wenigen Klicks kann sich jeder, der über einen PC und eine Internetverbindung verfügt, einen eigenen Blog einrichten und seine Ansichten, Meinungen oder einfach nur Erlebnisse dort niederschreiben.

Informationsflut ohne Leserschaft?

Nach einer Studie des Social-Media Marktforschungsunternehmens NM Incite, gab es im Oktober 2011 weltweit insgesamt 173 Millionen Blogs. Wenn man das auf die Weltbevölkerung hochrechnet, bedeutet das: 2,5% aller Menschen auf der Erde betreiben (statistisch gesehen) einen Blog. Wenn man jetzt noch davon ausgeht, dass ein Großteil dieser Blogs auch noch aktiv betrieben wird, dann kommt schnell die Frage auf: und für wen?
Wer liest die Millionen Inhalte, die täglich das Internet überfluten und wem nützt das etwas?
Antje Schrupp, in der deutschen Blogosphäre als vor allem durch ihre Posts über Feminismus, Politik und Philosophie bekannt, hat dazu eine ganz eigene Meinung. In ihrem Blog „Aus Liebe zur Freiheit“ schreibt sie in Bezug auf eine Freundin, die der Meinung ist, es würde doch niemanden interessieren, was man selbst denke:

„Das, was sie denke, sei doch für die meisten Menschen total uninteressant. Das mag zwar sein. Aber das ist ein Argument aus dem Zeitalter der Massenmedien. Im Internet kommt es auf Zahlen nicht mehr an, denn auch wenn ein Blog nur von fünf Leuten gelesen wird, die dafür – aus welchen Gründen auch immer – an dem Thema höchst interessiert sind, ist es eine schöne und wichtige Sache.“ Quelle

Mit ihrer Aussage mag Frau Schrupp durchaus richtig liegen. Im Zeitalter der Massenmedien muss jeder Mensch die für ihn relevanten Inhalte herausfiltern. Das gleiche gilt wohl auch im Bezug auf Blogs.
Frau Schrupp geht sogar soweit, von einer allgemeinen Bürgerpflicht zu sprechen. Damit meint sie vor allem, dass es eine Notwendigkeit sei, diese neue Art der öffentlichen Meinung zu pflegen. Sich gegen einen Blog zu entscheiden sei demnach genauso kritisch zu hinterfragen, wie die Entscheidung dafür.

Ein nihilistischer Ansatz

Von einer anderen Ebene aus betrachtet der Medienwissenschaftler und sogenannte Netzaktivist Geert Lovink die Thematik. In den Medienwissenschaften sei seiner Meinung nach vor allem der journalistische Aspekt des Bloggens betrachtet worden.
In seinem Buch „Zero Comments“ geht er nun, ausgehend von Michel Foucaults Ansatz „Technologien des Selbst“, auf Blogs als Instrument der Selbstdarstellung und Selbstreflektion ein.
Im Gegensatz zu Briefen, E-Mails oder SMS, die an eine bestimmte Leserschaft gerichtet sind, kann man den Adressaten für einen Blog nicht klar ausmachen. Blogs richten sich an alle (und keinen), was die Informationsauswahl nicht unbedingt vereinfacht.
Lovink spricht in diesem Zusammenhang von einem „digitalen Nihilismus“. In einem Interview mit der Zeit sagt er dazu folgendes:

„Es ist eine Position, die von einem imaginären Nullpunkt ausgeht, dem »Zero« in Zero Comments . Denn die Mehrzahl der Blogs wird ja gerade nicht gelesen, sie spielen in einer Grauzone der Öffentlichkeit, von der sich einige wenige Spitzen-Blogger abheben. Die Null, die in der Software aufscheint – kein Verkehr, niemand da gewesen, das »Nihil« von Nihilismus –, ist die Regel, nicht die Ausnahme.“

Diesen nihilistischen Ansatz kritisch zu hinterfragen und zu diskutieren wird hier an späterer Stelle noch eine Aufgabe sein.

Null Blog oder was?

Doch wer sind die Blogger überhaupt? Und was hier vielleicht noch wichtiger ist: Wer sind sie nicht? Nach der oben schon erwähnten Studie von NM Incite sind es vor allem Frauen, die einen Blog betreiben. Die Hälfte aller Blogger ist zwischen 18 und 34 Jahren.
Doch wie Spiegel Online schreibt , hat Studien zufolge vor allem die nachkommende Generation kein Interesse mehr an Blogs. Das Verfassen und Verwalten von eigenen Inhalten im Internet spricht die hochgelobte „Netzgeneration“ anscheinend nicht in dem Maße an, wie immer suggeriert wird. Manfred Dworschak schreibt dazu in dem eben erwähnten Artikel auf spiegel.de:  

„Jetlirs Abgeklärtheit ist typisch für die Jugend von heute; das bestätigen mehrere aktuelle Studien. Ausgerechnet die erste Generation, die sich ein Leben ohne Internet nicht mehr vorstellen kann, nimmt das Medium nicht übermäßig wichtig und verschmäht seine neuesten Errungenschaften: Ganze drei Prozent der jungen Leute schreiben selbst ein Blog. Und nicht mehr als zwei Prozent beteiligen sich regelmäßig an der Wikipedia oder sonst einem vergleichbaren Freiwilligenprojekt.“

Haben die Blogs als Mittel der Informationsvermittlung und Selbstdarstellung also bereits ihren Zenit überschritten? Sind sie ein Auslaufmodell, das keine Nachfolger mehr findet?
Dem gegenüber steht die ständig wachsende Zahl von Blogs. Aber wer betreibt sie? Und wer soll sie lesen?
Fragen über Fragen, die es im weiteren Verlauf meines Bloggerdaseins zu klären gilt ;)
   

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen